Nun blieb ich nicht zu Hause, nachdem
ich sowieso schon so wenig Zeit dort verbrachte. Nein nein, im August
lockte die Ferne wieder und zwar rief sie aus Schweden. Mit zwei
weiteren Mädels ging also die Reise los, morgens früh um
Schlafenszeit.
tourjournal
Mittwoch, 13. Februar 2013
Haus und Paradies.
Es galt, die Fähre aus Travemünde
nach Trelleborg zu erwischen, und nach einigen hamburgischen
Last-Minute-Reparaturen am betagten VW-Bus (T4) sattelten wir das
Huhn und brummten los. Rudergirl Regina kennt die Strecke mit
geschlossenen Augen und Drehwurm und wir ließen uns nicht lumpen
sondern fuhren schnurstracks goldrichtig rauf aufs Boot. Fest
verkeilt hieß es Alle Mann An Deck! Auf der großen Überfahrt
besorgte ich mir den ersten und einzigen Sonnenbrand der Tour. Nun,
was wir während der paar Stunden Aufenthalt an Bord taten: Wir
brutzelten gehörig in der Sonne, lasen uns gegenseitig Karteikarten
auf Französisch vor, spielten und ich ließ die zwei Grazien
Einkaufen. Welch eine gute Idee! Zum Anglerglück fehlte uns nämlich
noch die Angel. In weiser Voraussicht hatten wir alles andere im
Gepäck (Angelschnur, Haken und Kreuzworträtselheft). Nun waren wir
auch in dieser Hinsicht komplett.
Nach einer ruhigen, entspannenden
Fährfahrt ging es also von Bord und schlichtweg geradeaus in
Richtung Norden. Das Dalsland war unser Ziel, und wir verfolgten es
rigoros. Bewunderten die herrliche Natur und sprangen kurz
entschlossen in die Ostsee, Luftlinie gegenüber von Dänemark, lag
irgendwie auf dem Weg. Weiter ging es, Schwedens West Coast entlang,
und bald senkte sich die Sonne in Richtung Horizont. Es wurde dunkel,
und die Steuerfrau fuhr eins A mit Sternchen mal mit Normallicht, mal
mit Fernlicht und dazwischen in Intervallen auch mal ganz ohne Licht,
weil es nicth leuchten wollte. Frohen Mutes verspeisten wir Rennautos
aus Gummi aus der Weingummi-Ostersammlung und kamen tatsächlich
irgendwann in Ed an, fanden unsere finale Destination allerdings
nicht und wurden dann doch von unseren zwei Gastgebern am Wegesrand
aufgesammelt. Im Konvoi à deux ratterten wir über Stock, Stein und
Schlagloch und meinten hören zu können wie das Autochen langsam
aber sicher desintegriert. War aber nicht so.
Ein Late-Night-Bier, eine Tour durch
das Haus, welches wir die nächsten Tage unser Heim nennen sollten,
Schlafsäcke ausgerollt und Handys aufgeladen und ab in die Koje: Ein
ganzer Tag auf vier Rädern unterwegs zu sein raubte nicht nur dem
Auto Kraft.
Der nächste Tag erstrahlte in holder
Frische, Sonnenschein und Kaffeeduft. Windrauschende Baumkronen,
Eilwolken am sonst blauen Himmel, wirrsurrende unzählige Insekten –
Auf ins Abenteuer! Die Modalitäten: Ein Auto voll mit Leckereien,
Wein und Weib. Ein Haus mit Wildwuchsgarten, fließend Strom und ohne
Wasser. Ein hamburger Jung und vier hamburger Deerns.
Es folgte eine Woche Landidyll. Angeln
und Blaubeeren und Pfifferlinge sammeln. Im See einmal Baden gehen,
frischer Fisch und Armeen von Mücken. Ach ja, und die Special Guests
betreuen: Ich hatte mir als besondere Freude zwei Hausarbeiten
mitgenommen und war zeitweilig fleißig am Schreiben. Daher machte
ich auch bei einigen Ausflügen einfach nicht mit: Ein paar
Pfefferfindetouren mit Fischfangkombinat, eine Reise in den riesigen
Nationalpark und damit vielleicht auch ein paar Schritte in Norwegen.
Dafür kam ich mit ins Freilichtmuseum und fand heraus, dass ich
genau 1,65 Meter groß bin. Und einmal Einkaufen war ich auch mit und
fand heraus, dass Gurken ein sündhaft teurer Luxus sind für den man
doch auch mal vier Euro pro Stück hinlegen kann. Oder warens doch
fünf? Hm. Außerdem gab es im Haus das ein oder andere Mal ein ganz
besonderes Event: die Guten Morgen Muskelkraft Girls (Regina,
Katharina und ich) legten zwei Mal ihre einmalige Show auf die
Dielen.
So hieß es jedoch irgendwann auch
Adieu Håbol, Adieu Dals Ed, die Gastgeber reisen heim und wir gen
Osten. Rein in den Bus und angeschnallt, wir machen uns auf die Reise
ins Ungewisse!
Und rumpelten los. Bevor wir im
Paradies ankamen mussten wir einige harte Prüfungen bestehen. Die
Frontscheibe wurde mit Steinen bekannt, und die
Beifahrerfensterscheibe stellte sich quer und wollte nicht mehr
zugehen. Und das en passant einer Papierfabrik oder
Müllverbrennungsanlage, und die stank mir gewaltig. Rudergirl Regina
hatte den Skipperdreh raus und machte das Glas gefügig, mit ein
bisschen sanfter Gewalt und der Anweisung, nicht mehr an der Kurbel
zu drehen. Aye Aye, wird gemacht! Der Tag verging, wir saßen
vergnügt im Auto und fanden am späten Nachmittag unser Paradies.
Dies findet sich unweit eines offiziellen Campingplatzes doch wir
Füchsinnen fuhren weiter und nisteten uns auf einem Wildcamp ein.
Zelt aufgebaut, Menü zusammengestellt, Angel ausgeworfen und bald
auch den Kocher aktiviert. Herrlich. Sich gegenseitig beglückwünscht,
die Beine ausgestreckt und gemütlich am Glimmstengel gesogen. So ist
das Leben doch schön! Und es war wirklich sehr, sehr schön. Und mir
nachts ein wenig unheimlich, allein im Zelt, Elchen, Ottern, Bären,
Füchsen, Schlangen und Campern ausgeliefert... Doch kann selbst das
lauteste Herzklopfen bald nicht mehr wach halten und so
entschlummerte auch ich irgendwann. Die anderen zwei hatten das
Combi-Comfort-Ticket und sich einen Platz im Bett im Auto reserviert.
Und so ging es auch weiter, denn
anstatt von Ort zu Ort zu hetzen gingen wir den Spaß entspannt an
und blieben noch einen Tag im Paradies. Wenn man schon mal da ist.
Und jede für sich machte ihre kleine Wanderung, die eine ging die
ersten Schritte auf einem Boulderpath im Naturschutzgebiet, mit dem
Klapprad Rad fahren und Holz sammeln, die anderen gingen Schwimmen
und auch zu Fuß daher, bis man sich wieder traf und gemeinsam das
Nachtmahl verputzte. Und am Feuer Zehen und Finger wärmte.
Paradies und Ingarö.
Der nächste tag jedoch sah uns wieder
auf der Piste, hinan an den Vätternsee und mit Braus und Saus und
immer unter hundert über die Autobahn. Bergauf, bergab, durch Wälder
und Felder, und auch mal auf der Landstraße unterwegs erschließen
wir Schwedens Mitte. Ganz ohne weitere Autoschäden zu vermelden und
ständig mit der Frage eines Annäherungsversuches an Stockiholmi
bedacht. Wir beshlossen einen Angriff von Westen zu starten und
verfuhren uns ob eines Autobahnauffahrt-Wirrwarrs, der uns gen Norden
trug wo wir nicht hin wollten. Wir hatten uns als Ziel die
Schären-Idylle auserkoren und meinten auch, sie erreichen zu können.
Also Alle Mann umkehren! Wir schaffen
das. Gesagt getan, es ging über Stock, Stein und Insel bis wir
unseren Bus in einer handlichen Spontan - Parkbucht stehen hatten und
zwar, soweit das in Retrospektive eruiert werden kann, auf der
Ingarö-Halbinsel in Björkvik bei einem Yachthafen. Bis wir dort
waren, hieß es zwei kleine Inseln zu überqueren, die jeweils mit
einem Fährtransport erreicht wurden. Sympathisch, die Sonne lachte
uns zu und wir tauften drauflos. Angekommen blieb das Zelt gut
verpackt im Kofferraum; es war schon Zwielicht und außerdem war die
einzige Chance, es aufzubauen, der Strand; und auf Sand soll man ja
nicht bauen. Deswegen wurde nach einem kleinen Snack auf den Schären
(ja, Saltkrokan, so schön.) die Waterkant erklommen. Das Pferd
setzte sich irgendwann und Hund und Katz seilten sich ab in Richtug
weiter. Wohlan denn, dem Fahrtwind beraubt bemerkt nun das Pferd dass
es Ziel eines beharrlichen Mückenangriffs wird dem selbst das
verwegene Rauchen einer Zigarette keinen Einhalt gebieten kann. Hund
und Katz sind bald wieder da und bemerken es auch. Es wurde also zum
Rüclzug geblasen und, angestrengt nach soviel Wandersport,
beschlossen das Meer mit unseren Muskeln zu zieren. Weiter als bis
zum Brustbein gingen wir allerdings nicht hinein, und wateten als
drei Eisblöcke wieder an Land.
Und begaben uns in Richtung Auto,
während wir noch über das durch die Luft zur Hafenromantik
getragene Wummern Lösung a) einer Hausparty oder Lösung b) eines
Clubs rätselten. Die verwegene Camperin fand ausgestreckt über
Fahrer- und Beifahrersitz in der Holzklasse Platz mit der Anweisung,
im Schlaf nicht die Handbremse zu lösen. Die größere Gefahr war,
dass das Auto aufgrund der Schräglage der Straße seitlich umkippt.
So schlummerten wir die Nacht hindurch bis uns die Sonne wachküsste.
Bewaffnet mit Kaffekrams und
Frühstücksei wanderten wir in Richtung Schären und siehe da, wir
sollten nicht die einzigen sein. Wir konnten tatsächlich von Glück
sprechen, dass wir einen Platz bekamen. Wie die Robben lagen
sonnengebrannte Segler auf ihren Handtüchern und sonnenbrannten
sich, und dabei sollte es nicht bleiben. Kauender Kiefer bestaunten
wir die Schären-Sonntagsroutine: Linienbusladungen von
grazienbeinigen Schwedinnen, und ein paar werbemuskulösen Schweden,
wurden am Wendehammer vor Felsbeginn ausgespuckt und mehr und mehr
Robben setzten sich darnieder um zu erbraunen. Kein Wunder, sag ich
da nur.
Stockiholmi und Helgö.
Nun denn, wir räumten bald das Feld
und setzten unsere Reise fort: Stockiholmi sollte besucht werden. Ein
paar Kilometer außerhalb des Stadtzentrums parkten wir unser Gefährt
und fuhren los mit dem Bus und ich freute mich, wieder an Gustav af
Klint vorbeizufahren, dem Bootchen das ich für zwei Nächte mein
Heim nennen durfte. Damals lag Schnee, nun brüllte die Sonne vom
Himmel. Ausgestiegen und die Lage gepeilt: Ich wusste wo's langging.
Frohen Fußes also machten wir uns auf den Weg ins Zentrum der
Hauptstadt und siehe da, sie war um einiges voller als damals im
Winter. Einige Tore mehr standen der Öffentlichkeit offen und wir
besuchten kurioserweise die selben Touristen-Shops wie damals. Und
beschlossen, eine Kanu-Tour durch die Schären zu machen. Ab in die
S-Bahn mit uns drei Grazien, und wir fanden was wir wollten: Den
Kanuverleih ohne Kanus. Nach Schmaus auf dem Anlegersteg griffen wir
das erste Kanu ab das wiedergrbracht wurde und los ging's! Ahoi, wir
paddeln los. Und bemerken dass wir nie und nimmer auch nur
ansatzweise aus dem Kuddelmuddel an Inselchen hinausgepaddelt kommen
und steckten unsere Ziele immer weiter runter. Außerdem mussten wir
irgendwann das ganz große Fahrwasser verlassen weil das Huntje
misstrauisch gegenüber großen, schnellen Wellenproduzenten wurde.
Glücklicherweise sind wir wissenschaftlich extrem bewandert und
haben schon einige Erfahrung mit der Paddelei, also wissen wir was zu
tun ist und stabilisieren das Kanu permanent. Und sonnen uns an einem
Steg und singen was das Zeug hält. Und fahren irgendwann
sonnengewärmt wieder zurück zum Bootshaus und dann zur Stadt und
dann zum Auto und dann geht’s wieder ab auf die Piste.
So widerwillig Stockiholmi uns
hereinlassen wollte, so wenig schien ihm unsere Abreise zu gefallen.
Wir verfuhren uns ein bisschen und schafften dann den Abstieg in
Richtung Süden, wo wir nach ein paar Stunden Fahrt irgendwann
verweifelt nach einer Unterkunft suchten. 'No Camping' begegnete uns
allzu häufig, doch ein Gutes hatte die Suche: Wir sahen uralte
kleine Dörfchen und eine fliehende Elchkuh. Vielleicht war es auch
ein kleines großes Elchkalb. Es war auf jeden Fall ungeweiht und
groß. Und schnell außer Sichtweite des orangenen Blitzes. Wir
fanden irgendwann einen Platz als es schon dunkel war. Ich baute mein
Zelt aus Versehen halb auf Blåbären auf und wir bemerkten bei
Sonnenaufgang, dass wir uns auf einem Camping-Komplex befanden wor
wir mit einigen anderen Bussen oder Caravans genächtigt hatten. Ein
erhabenes Felsenfrühstück später ging es uns an die Wäsche:
Herrliche Augenblicke für Body and Soul. Von einem nicht ganz
Pott-Akzentfreien halbstarken Halbstarken erfuhren wir, dass der
Campingplatz schon für 2 Wochen besiedelt wurde aber bald zur
Abfahrt gepustet würde.
Mücken.
Adieu, Helgö! Wir fuhren auch bald ab
und zwar war der Plan, in Gotland das gute Klima zu genießen. Der
Plan scheiterte kläglich am Budget, mehr als 200 Euros sollte der
Spaß uns kosten, und das konnten wir uns nicht erlauben. Dafür
durften wir in der Fährinformation unsere Wasserflaschen wieder
auffüllen, was auch bitter nötig war. Nun, wir fuhren weiter gen
Süden und Westen, auf der Suche nach einem geeigneten Örtchen. Die
Suche trieb uns weiter und weiter ins Landesinnere wo wir gar nicht
hinwollten, und in der Abenddämmerung reisten wir durch ein immens
großes Waldgebiet (es wurde uns vorher empfohlen, vor Allem dass man
dort sehr gut Angeln konnte) an Phantom-Dörfern vorbei und
irgendwann an einen Badesee. Dort war es sehr schön, jedoch voller
Mücken. Wenn Ingarö schon mäßig nervig war, sollten wir hier
unser Mücken-Nemesis finden. Es war nicht zum Aushalten. In userer
Eile, umzuparken (da musste irgendwo ein Mückennest sein), nieteten
wir den Autoeigenen (schon etwas zermöbelten) Aschenbecher um und
bemerkten, dass wohl überall Mückennester waren. Nach einem kurzen
Pow-Wow machten wir uns klar zum Schwimmen und dann zum Kochen, und
während wir unsere Utensilien zurechtlegten und -trugen fuhr die
schwedische Camping-Mafia mit drei Wagen auf. Wir wussten: Die
verstehen keinen Spaß. Sie stiegen aus und fragten uns, ob ihr
Höllenhund uns stören würde. Nein nein, alles in Ordnung. Beinahe
mauloffen starrten wir wie innerhalb von drei Minuten ein Feuer im
Gange war, die Zelte aufgebaut und das Fleisch am brutzeln. Nun denn,
ich baute mein eigenes Zelt auf und gesellte mich zu den anderen
zweien. Etwas schüchtern ob der uns eben vorgestellten Kompetenz
watschelten wir zum Camping-Kocher und kreierten eine herrliche
Spezialität, und wir aßen vielleicht alle zum ersten Mal in unserem
Leben Insekten. Während der Bulgur garte, tanzte Regina um Katharina
mit dem Mücken-Schicksal herum und erledigte alles, was da surrte.
Von dem Die Hälfte ins Essen fiel. Womöglich gab das unserer Diät
einen extra-Eiweiß-Boost. Freundlicherweise wurden wir von den
Profi-Campern ans Feuer eingeladen und dort verspeisten wir unser
Knoblauch-Mücken-Bulgur und soffen uns gegenseitig tüdelig: Alles
eine Guerilla-Mücken-Abwehr-Strategie. Am Feuer erfuhren wir zwei
interessante Neuigkeiten: Die Mücken waren nicht immer so mörderisch
drauf und auch nicht so zahlreich, wir hatten nur das Glück, in
einer Post-Überschwemmungsphase dort zu sein.
Post-Überschwemmungsphase heißt also, dass die vielen kleinen
Frischmücken umso gieriger saugen weil sie noch große und starke
Mücken werden wollen und es gab ihrer so viele weil die
Überschwemmung so überwältigend war. Außerdem wurden wir
weiterempfohlen nach Öland: Dort sollte es am nächsten Tag
hingehen. Wenn schon nicht Gotland, denn eben Öland. Hauptsache
Eiland.
Öland.
Der nächste Tag sah uns mit Sack und
Pack den Berg hoch zum Aussichtspunkt stapfen und dort ein geziemtes
Mahl zu verspeisen. Und wieder ein bisschen Urzuschreien.
Dank der Kutscherin guten
Navigationskenntnisse fuhren wir auch in die richtige Richtung aus
dem Wald heraus und nicht weiter hinein. Der Aschenbecher war nun
eine Pul-Moll Zitronendose, und meine Mückenstiche zu blauen Flecken
mutiert. Reine Routinesache. Kenn ich, kann ich. Bald finden wir also
Öland und auch die Brücke dorthin, eine sehr gute Sache, die. Und
weil wir spontan und verrückt sind, gehen wir zum Loppis und finden
alle drei wunderbare Mitbringsel. Auf des Loppis' Parkplatz sollte
folgendes geschehen: Eine schicksalshafte SMS fand ihren Weg in
Reginas handy und informierte uns über zwei Dinge. Darüber, dass
Regina Geburtstag hatte, und darüber, dass wir am nächsten Tag die
Fähre in Trelleborg bekommen mussten.
Und wir zerbrachen uns natürlich den
Kopf darüber, wie das bloß passieren konnte. Katharina fasste das
Ganze sehr treffend zusammen: Es war so schön, dass wir die Zeit
vergaßen.
Fortan war Regina Bestimmerin und sie
bestimmte dann auch, dass wir uns das Schloss ansehen, das sie den
ganzen Tag Rennautos essen darf und dass wir gefälligst Flusskrebse
mit Weißwein essen. Da wir es nicht geschafft hatten, uns einladen
zu lassen, mussten wir selbst bezahlen, und so kauften wir groß bei
Nisses Fisk ein. Der Empfehlung des Herrn am Lagerfeuer des Abends
zuvor fuhren wir an der Kamelzucht vorbei und immer weiter auf einer
holprigen Piste bis wir mit gefühlt zerbochener Vorderachse einen
guten Platz fanden. Es nieselte und regnete vielleicht auch, Fakt war
dass es aus vollster Kehle stürmte. Das konnte uns nun nicht
abhalten: Wir parkten (ich baute mein Zelt wieder nicht auf sondern
buchte die Holzklasse) und stiefelten los, ans Ufer, um den Krebs zu
verspeisen. Es war besonders lecker und wir urschrien. Und
verbrachten den Rest des Abends mit der glücklicher- und
überraschenderweise vom Geburtstagskind wieder gefundenen Flasche
Wodka. Es folgte eine turbulente Nacht mit Ringelreigen und Musik,
und Steineschmeißen.
Und der nächste Tag.
Trotz temporär aufwallender
Panikattacken fanden wir die Fähre eins A astrein und pünktlich.
Aßen unsere leckeren Weinblätter und setzten uns darnieder, neben
zwei anderen deutschen Busfahrern, und glotzten TV. Herrlich. Und
tranken ein Fläschchen Vino zum Abendbrot, und waren dann irgendwann
auch in Alemania, und in Hamburg, und keine von uns wollte so richtig
dass die Reise zuende war.
War sie auch nicht, denn ich wurde im
Reisebus von meinen beiden Kumpaninnen zu Hause abgesetzt. Ein paar
mehr Kilometer gemeinsam auf der Straße gewesen.
Sonntag, 20. Januar 2013
Reise Tartu-Helsinki 2011
Am siebenundzanzigsten achten zweitausenelf soll es also losgehen. Un das tut es auch; schnell noch dem Bruder einen Umschlag mit Dankeschön in die Hand gedrückt, den Eltern tschüss gesagt und beinahe zu spät ins Terminal gekommen... Wenn man bis um drei Wein trinkt und um sechs aufsteht ist das halt so. Hinein in den Flieger, Platz gefunden, rausgeguckt und angeschnallt. Spannung pur, was erwartet mich und was erwarte ich? Man weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Zwischenstop in Riga, sieben Stunden Aufenthalt. Was tun? Ich schultere mein Handgepäck und mache mich auf den Weg in die baltische Hauptstadt, ein Land entfernt von meinem Ziel. Die historische Altstadt wird beschaut und die Bremer Stadtmusikanten werden entdeckt. Das ganze dauert eineinhalb Stunden, und so fix wie ich reinfuhr fuhr ich aus der Stadt wieder raus. Eingecheckt und hingesetzt. Alles einsteigen, nach langem Warten geht es weiter und wir heben ab. Am Zielflughafen weiß ich nicht wohin, alles ist klein und nicht ausgeschildert und ich kann die Sprache nicht. Also lasse ich mich für fünf Euros zum Busbahnhof fahren, war nicht nötig und viel zu teuer. Bald habe ich auch ein Ticket für den Bus, der mich zur heutigen Ziel-und Endhaltestelle fahren soll. Zweieinhalb Stunden später bin ich auch da, nach viel hin und her mit meiner Tutorin, die ich ob plötzlichen hamburgischen Handyverlustes nicht erreichen konnte und die ich also verpasse. Den Weg zum Studentenwohnheim finde ich auf Anhieb mit nur einmal nachfragen und werde gespannt erwartet, von meiner Zimmermibewo Svenja die sich sofort über mein weniges Gepäck wundert. Nach einigen offiziellen Wegen bin ich auch endlich angekommen im Wohnheim und weiß sogar die Namen aller fünf Mitbewohnerinnen. Auch, dass ich mich schwertu mit Kontakteknüpfen, aber das weiß ich sowieso. Zum wiederholten Male wirft sich mir also die Realisierung dessen ins Gesicht. Nun denn. Nach einigen durchzechten Nächten also sitzen wir auf dem Flur des Wohnheimes und ich frage in die Runde wer hat Lust nach Helsinki hinüberzufahren? Es meldet sich Anna die ich schon ein wenig kenne und wir verabreden uns.
Freitags lohnt es sich nicht ins Bettchen zu springen wenn man um zwei Uhr am Samstag den Bus nach Tallinn besteigt also schliefen wir nicht sondern fuhren einfach los. In Tallinn im Fährhafen wird ein kleiner Frühstückshappen zu sich genommen und der Morgensonnenaufgang bewundert. Auf Bänken im sich langsam füllenden Fährterminal gedöst und irgendwann das Eincheck-System verstanden, ganz knapp bevor es zu spät ist. Hinauf auf die Fähre und Musik auf die Ohren, raus aufs Deck. Ahoi! Wind von achtern mit der Sonne im Gesicht, was gibt es schöneres als das ewige Geschrei der Möwen. Die Fähre füllt sich langsam, im Kaufmannsladen gibt es keinen Riesenlolli aber dafür Kaffee im Bistro und von dem wird sich ein Schluck gegönnt bevor wir uns einen Platz im Casino sichern damit ich Anna beim Schlafen zuschauen kann, und das Wasser beobachten. Trotz der hypnotischen Bewegungen des Ostseewasserspiegels in meinen Augen finde ich den Weg nicht ins Land der Träume. Träume sind Schäume, obendrauf. Irgendwann laufen wir in den Helsinki-Heimathafen ein und tapern Biertrolley-Finnen hinterher zum Ausgang. Tere tulemast! Wir sind also da. Weder in unseren Köpfen noch in unseren Taschen befindet sich ein einziger Plan und wir tun das, was in unserer Situation wohl jeder täte: Wir schlendern über einen Markt am Hafen, ich besorge mir eine Mütze und wir stiefeln los. Zur Kathedrale und zum Hauptbahnhof, von dem aus wir uns in eine Straßenbahn setzen und einfach losfahren. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Supermarkt begeben wir us wieder zum Bahnhof, wo uns die Gunst der Spendierstunde etwas zu Essen besorgt. Während Fahrkartenlösungswartezeit genehmigen wir uns also einen Snack und beschließen, nach Turku zu reisen. Helsinki bietet uns keine adäquate Übernachtungsmöglichkeit. Probieren wir es eben ein Haus weiter. In Turku kann uns selbst die freundliche Bahninformationszentrumsangestellte nicht weiter helfen und wir tun, was wir sowieso schon können. Wir machen eine Stadtrundfahrt und nutzen die uns mit der Fahrkarte verkaufte Zeit optimal. Turkus Sehenswürdigkeiten werden mit Sehen gewürdigt, der Tag ist schön und auf dem Fluss schwimmen riesige Plastikmöwen deren Zweck und ästhetischer Anspruch uns irgendwie entwischt. Und wenn wir schonmal zu später Stunde in Turku sind, trinken wir ein Bier in einer Bar und werden angequatscht und auf einen Club verwiesen, den wir gar nicht besuchen. Es stellt sich heraus, dass wir auch in Turku wohl ohne Dach über dem Kopf auskommen müssen und wir fragen uns, was wir mit dem Rest der Nacht wohl anfangen können. Die zündende Idee kommt alsbald und wir gehen ins Kino. Es gibt lauter Filme auf Finnisch und nur einen Film auf Englisch. Der ist dafür aber in 3D damit man die fliegenden Körperteile und diversen fatalen Fleischwunden besser sehen kann. Dafür ist es warm und man kauft den Besuch in Herzhausen gleich mit. Doch irgendwann spuckt uns der Filmpalast wieder aus und jetzt? Ein Stadtbummel? Nein nein, ganz falsch. Hesburger sieht so einladend aus also stellen wir uns für den heiß geliebten Falafelburger und eine gepflegte Tasse Schwarztee an. Allerdings schließt auch der Schnellfraßladen irgendwann seine Türen also stiefeln wir durch die Nacht und spielen lustige Spiele mit Zebras. Einen guten Abschnitt Turkus samstagnächtlichen Charmes lassen wir auf dem Bahnsteig auf uns niedersinken. Anna schläft auf einer Bank, ich übe Tanzen Kniebeugen Musikhören und Frieren. Unsere traute Zweisamruhe wird nach gefühlten drei Wochen Nachtkälte von einem Betrunki unterbrochen der Anna aufweckt, welche in ihre Arme eingewickelt erstmal gegen den geparkten Zug torkelt während sie im Hier und Jetzt ankommt. Gemeinsam wach beschließen wir, uns Turku noch einmal genauer anzuschauen und entdecken 40Zonen, schaurigschummrige Sträßchen und Holzhausinnenhöfe. Und dann geht’s wieder los zurück nach Helsinki, wo einst geplant war den Tag zu versaunen. Stattdessen machen wir eine Schärenrundfahrt; ich lasse mir den Wind in die Ohren wehen mit meiner neuen Mütze und Anna sitzt unter Deck und friert ein wenig vor sich hin, döst und schaut fenstergefilterten Schärenseglern beim Kreuzen zu. Und dann gönnen wir uns ein paar Stunden Ruhe auf dem Rasen vor der russisch-orthodoxen Kirche, von dem aus wir dann direkt wieder auf die Fähre steigen die uns über die Ostsee zurück nach Tallinn schaukelt. In der Dance Lounge. Hurra. Und als wir im Wohnheimseingang stehen fragt mich Anna ganz unverblümt ob ich mit ihr nach Baku fahren möchte denn, kaputt wie unser kleiner Ausflug war, ihr hat er wunderherrlich gefallen. Ich fühlte mich gebartpinselt. Und ich sage dass ich, wenn's das gute Portemonnaie erlaubt, gern mitkomme und schließen einen mündlichen Vertrag mit Handschlag ab. Und als ich in meinem Zimmer herausfinde, was Baku ist, weiß ich auch nicht so genau wie ich darauf reagieren soll.
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